OLG Frankfurt am Main, 25.10.2018, 6 U 233/16

 

Für ein wettbewerblich eigenartiges Erzeugnis kommt ein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz auch nach Einstellung des Vertriebs in Betracht, solange das Erzeugnis im Verkehr noch über eine gewisse Bekanntheit verfügt. Dies kann bei einem hochpreisigen Uhrenmodell, das über längere Zeit in nicht unerheblicher Zahl angeboten und verkauft worden ist, auch für einen Zeitraum von mehreren Jahren nach Vertriebsende zu bejahen sein.

 

Wird in einem solchen Fall das Uhrenmodell nahezu identisch nachgeahmt, liegt eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung ( § 4 Nr. 3b UWG ) auch dann vor, wenn das nachgeahmte Modell mit einem anderen Wortzeichen versehen ist als das Originalmodell.

 

Im Folgenden eine auf das Wesentliche gekürzte Wiedergabe der Entscheidung:

 

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen behaupteter Nachahmung eines Uhrenmodells unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden Leistungsschutzes. Die Klägerin ist ein Schweizer Unternehmen. Sie stellt Uhren des gehobenen Preissegmentes her und vertreibt diese in Deutschland, so unter anderem auch die streitgegenständliche „A“. Die Beklagte bewarb im Jahr 2015 die näher bezeichnete schwarz-goldene und schwarz-silberne Uhr mit goldener Aufschrift unter der Bezeichnung „B“, die die Klägerin als rechtsverletzend angreift.

 

Das LG hat die Beklagte bis auf einen kleinen Teil der Zinsforderung hinsichtlich der Abmahnkosten antragsgemäß zur Unterlassung, Auskunft und Abmahnkostenersatz verurteilt. Das OLG hat nach Vernehmung eines Zeugen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 3, 4 Nr. 3b, 8 Abs. 1 UWG und die hieraus resultierenden Folgeansprüche aus §§ 9, 12 Abs. 1, UWG, § 242 BGB bejaht. Die Uhr der Klägerin weist – auch nachdem der Verkauf aufgrund des vorgenommenen Modellwechsels so gut wie eingestellt ist – weiterhin eine wettbewerbliche Eigenart auf. Der Vertrieb der mit hoher Ähnlichkeit versehenen Nachahmungen der Beklagten stellt eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung dar, da es an der notwendigen gewissen Bekanntheit – jedenfalls noch – nicht fehlt.

 

Grundsätzlich sind an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG keine hohen Anforderungen zu stellen. Vorliegend besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Das kann hier nicht mit dem Argument der Beklagten in Frage gestellt werden, sie bewege sich aufgrund des Verkaufspreises von 20 – 40 € in einem anderen Markt als die Klägerin, die ihre Uhren zu vierstelligen Beträgen und auch nur über Fachgeschäfte vertreibe. Diese Unterschiede mögen zwar einen klassischen Substitutionswettbewerb ausschließen. Gleichwohl ist der Hersteller des Luxusprodukts Mitbewerber des Nachahmers, weil der Vertrieb der Nachahmung zu seinen Lasten geht. Die Beklagte kann mit ihrem Angebot von günstigen Uhren die Marktchancen der Klägerin auf einem Drittmarkt, nämlich dem Markt für Luxus-Uhren, beeinträchtigen. Denn der massenhafte Vertrieb von Billigimitaten kann den potentiellen Käufer echter Uhren vom Kauf abhalten.

 

Dem Uhrenmodel der Klägerin kommt auch wettbewerbliche Eigenart zu. Das Landgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass die wettbewerbliche Eigenart nicht durch vorbekannte Gestaltungen in Frage gestellt wird. Die Entgegenhaltungen der Beklagten hat das Landgericht zu Recht schon deshalb nicht berücksichtigt, da die Beklagte nicht dargetan und bewiesen hat, dass dieser Formenschatz schon im Jahr 2008 vorhanden war. Soweit die Beklagte in der Berufung nunmehr behauptet, es handele sich um Formenschatz aus dem Zeitraum „bis 2008“, ist dieser Vortrag pauschal und daher nicht zu berücksichtigen.

 

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die wettbewerbliche Eigenart sei jedenfalls nachträglich durch die sinkenden Verkaufszahlen in Fortfall geraten. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Anbietens der Nachahmung auf dem Markt noch fortbestanden habe; sie fehlt oder geht verloren, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals, z.B. durch eine Vielzahl von Nachahmungen, Allgemeingut geworden sind, der Verkehr sie also nicht mehr einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Die Eigenart geht nicht schon dann verloren, wenn der Hersteller das Original nicht mehr vertreibt, da gerade bei Schmuck und Uhren sich immer noch zahlreiche Schmuckstücke im Verkehr befinden und das Auftreten von Plagiaten auf dem Markt ohne weiteres zu der Fehlvorstellung auf dem Markt führen kann, die Klägerin habe einen eingestellten oder reduzierten Vertrieb wieder aufgenommen oder ausgeweitet. Die zurückgehenden Verkaufszahlen können daher schon aus diesem Grunde einen Fortfall der wettbewerblichen Eigenart nicht begründen; im Übrigen kann dann, wenn – wie hier – die wettbewerbliche Eigenart dem Leistungsergebnis nämlich durch eine ungewöhnliche Gestaltung oder sonstiger Merkmale „angeboren“ ist und nicht durch erhebliche Bekanntheit mit begründet wurde, ein Rückgang der Bekanntheit durch Einstellung des Vertriebs die Eigenart nicht entfallen lassen. Erforderlich ist in diesem Fall aber jedenfalls die Feststellung einer „gewissen Bekanntheit“ im Rahmen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG.

 

Das im Klageantrag eingeblendete Uhrenmodell ist als nahezu identische Nachahmung einzustufen. Die vorhandenen Unterschiede wird der Verkehr erst bei direkter Gegenüberstellung und genauer Betrachtung wahrnehmen, was im Bereich des § 4 Nr. 3 UWG zu unterbleiben hat.

 

Es fehlt auch nicht an der sowohl für eine betriebliche Herkunftstäuschung als auch den Tatbestand der Rufausbeutung notwendigen „gewissen Bekanntheit“. Diese hat zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch vorgelegen. Auch der starke Rückgang der Verkaufszahlen in den Folgejahren ist jedenfalls derzeit noch nicht geeignet, einen Wegfall der „gewissen Bekanntheit“ zu begründen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen einer Täuschung über die Herkunft erfüllt sind. Der Käufer wird den Schriftzug „B“ auf dem Ziffernblatt der angegriffenen Ausführungsformen zur Kenntnis nehmen. Die Klägerin hat allerdings substantiiert dargelegt, dass im Uhrensektor bei bekannten Herstellern der Einsatz von Zweitmarken für den „Kaufhausbereich“ nicht unüblich ist. Der Verkehr kann damit zur Vorstellung wirtschaftlicher Verbindungen gelangen. Es liegt jedenfalls eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 3b Fall 1 UWG vor. Denn selbst wenn der Verkehr in der Kaufsituation aufgrund der oben genannten Umstände keiner Herkunftstäuschung unterliegen sollte, werden jedenfalls Dritte, die bei den Käufern die Nachahmung sehen, zu einer irrigen Vorstellung über die Echtheit verleitet. Die Käufer können bei Dritten „Eindruck schinden“.

 

Die Uhren der Klägerin gehören zum gehobenen Preissegment und sind damit als Luxusprodukt einzustufen. Der Nachahmungsgrad ist hoch. Die angegriffenen Uhrenmodelle sind damit geeignet, den Prestigewert des Originals widerzuspiegeln.

 

Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 25.10.2018, Az.: 6 U 233/16